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Fraunhofer und Partner ermöglichen mit Miniatur-Labor Einblick in die Metastasen-Entstehung bei Krebs

Gemeinsam untersuchen Forschende des Fraunhofer ITEM, des Fraunhofer IWS und der Universität Regensburg die Metastasierung von Tumorzellen in mikrophysiologischen Systemen. © minkus-images.de/Fraunhofer IWS

Eine neue Chance für die Krebstherapie? Gemeinsam mit Partnern entwickelt das Fraunhofer IWS spezielle mikrophysiologische Systeme, in denen sich Tumor-Gewebeschnitte kultivieren lassen. Ein solches Miniatur-Labor erlaubt nahezu reale Einblicke in das Entstehen von Metastasen.

Jährlich erkranken etwa eine halbe Million Menschen in Deutschland an Krebs. Trotz der Existenz effektiver Therapiemöglichkeiten für viele Krebsarten bleiben zahlreiche Fragen zur Krankheitsentwicklung unbeantwortet. Warum entsteht ein Tumor? Welche Faktoren begünstigen das Wachstum von Krebszellen? Weshalb breiten sich Metastasen im Laufe der Zeit auf weitere Organe aus? Die bislang hauptsächlich verwendeten Tiermodelle bilden die tatsächlichen Abläufe im menschlichen Körper nur begrenzt ab.

Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden hat in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM in Hannover sowie der Universität Regensburg spezielle Mikrosysteme entwickelt. Darin untersuchen sie nun Gewebeschnitte von Tumoren unter realitätsnahen Bedingungen.

Mikrophysiologische Systeme in der Größe einer Tablettenschachtel entwickelt das Fraunhofer IWS bereits seit mehreren Jahren erfolgreich. Damit lassen sich Organfunktionen oder auch Krankheitsprozesse mithilfe von Zellkulturen künstlich darstellen, Erkrankungen außerhalb des Organismus, also ex vivo, erforschen und Medikamente testen.

In den Mini-Laboren werden dafür mehrere Lagen Kunststofffolie übereinandergeschichtet. Zunächst kommen Laser zum Einsatz, um diese zu strukturieren. Es entstehen Kanäle und Kammern, Pumpen und Ventile. Damit werden bestimmte Vorgänge im menschlichen Körper modellhaft abgebildet. In den mikrophysiologischen Systemen zirkuliert eine blutähnliche Flüssigkeit, die Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.

Eine neue Herausforderung in einem interdisziplinären Projekt bestand darin, in mikrophysiologischen Systemen die Metastasierung von Tumoren zu untersuchen. Mit diesem Wunsch trat Prof. Christoph Klein, Lehrstuhl für Experimentelle Medizin und Therapieverfahren an der Universität Regensburg und Leiter des Bereichs Personalisierte Tumortherapie am Fraunhofer ITEM, an das Fraunhofer IWS heran. Gemeinsam mit der Universität Erlangen-Nürnberg hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Regensburgern 2020 einen Sonderforschungsbereich bewilligt. Dessen Ziel ist es, aufzudecken, wie genau Metastasen die Organe besiedeln.

„Um dies untersuchen zu können, war es für uns wichtig, mehrere Tumorgewebeschnitte in unser mikrophysiologisches System zu integrieren“, sagt Florian Schmieder, Gruppenleiter am Fraunhofer IWS. Erstmals weltweit sei das in diesem Projekt gelungen. Bis zu zehn Gewebeschnitte können nun parallel auf einem Chip kultiviert werden, im mikrophysiologischen System bleiben diese über eine längere Zeit vital und funktional.

In dieser Weise lässt sich die Interaktion des humanen Immunsystems mit dem Tumor beobachten. Da alle relevanten Immunzellen im Schnitt vorhanden sind, ist das System sehr nah am realen System, näher als mit Tiermodellen. Damit lässt sich die der veränderte Stoffwechsel bei Krebs untersuchen, auch welche Bedingungen wie Sauerstoffkonzentrationen und der pH-Wert in einem Organ Metastasen begünstigen. Diese Umgebungsbedingungen wollen die Forschenden am Fraunhofer IWS in Zukunft noch effektiver in den Mikrosystemen einstellen. Ziel sei es unterschiedliche Sauerstoff-Konzentrationen auf einem Chip zu ermöglichen, um die Reaktion der Tumorzellen und Metastasen darauf zu beobachten.

Die bisherigen Ergebnisse zur Erforschung des Tumorwachstums und der Metastasenbildung mithilfe der mikrophysiologischen Systeme stimmen Prof. Christoph Klein positiv. „Wenn wir Erkrankungen untersuchen möchten, ist das eine neue sehr interessante Möglichkeit, die sich uns bietet“, sagt der Mediziner. „Die Metastasierung umfänglich zu verstehen, ist ein Schlüssel für neue Therapieverfahren, welche die spätere Bildung von Metastasen im Körper von Krebspatienten verhindern“.